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Lexikon der Kunst - Komposition

Komposition (lat. componere »Zusammenstellen«), allg. Zusammenfügung, Bildgefüge, somit im engeren Sinne der Aufbau eines Kunstwerkes, die Ausarbeitung seines grundsätzl. dialekt. Inhalt-Form- bzw. Struktur-Gestalt-Gefüges. K.en stützen sich auf historisch entstandene, modifizierte, weiterentwickelte und immer den neuen Zielen und Bedürfnissen anzupassende, semantisch relevante, visuell-ästhet. Grundverhältnisse ( Darstellungsform, Einheit, Klarheit) sowie auf Gesetzmäßigkeiten der bildner. Analyse, Erkenntnis, Wertung und Gestaltung der Welt und des Menschen. »Solche Grundzeichen und Zusammensetzungsregeln gibt es sowohl in jeder natürl. als auch künstler. Sprache« (Georg Klaus). K. ist primär eine Auswahl aus der unendlichen Mannigfaltigkeit der Sinneseindrücke, somit auch eine Vermenschlichung von Naturgesetzen. Im Verlauf der gestaltenden Arbeit des Menschen hat sie dann gewisse eigene Gesetzlichkeiten gewonnen und ist mit inhaltl. Qualitäten bereichert worden. Die Bevorzugung bestimmter K.sgesetzlichkeiten oder K.stypen ist bedingt durch historisch konkrete gesellschaftl. Verhältnisse, Motivationen, Sehweisen usw. (man denke an den bürgerl. Klassizismus gegenüber dem absolutist. Spätbarock und Rokoko oder an die künstler.- wissenschaftl. Begründung von K.sprinzipien in der ital. Renaissance).

K. bez. also eine Tätigkeit des Künstlers, einen wesentl. Teil des Prozesses der Gestaltung, aber auch deren Resultat: wir sprechen in dieser Hinsicht von der K. als einer Eigenschaft des Kunstwerkes, und zwar einer hervorstechenden. Die Struktur des Inhaltes (bzw. Zweckes) und seine anschaul. Gestalt werden durch die K. in Übereinstimmung gebracht. Die K. verwertet die elementare Formengrammatik im Sinn der erforderl. syntakt. Strukturbeziehungen, organisiert als Vermittlung des Inhalts und gemäß den jeweils vertretenen Sehgewohnheiten den formalen und farbl. Aufbau des Kunstwerkes, die wesentl. Beziehungen, Relationen und Proportionen der Figuren und Gegenstände in Fläche bzw. Raum, die Gesten, Haltungen und die Mimik, wobei die Einzelelemente und die gesamte Konstruktion (bes. das »architekton. Gerüst«) dem konkreten darsteller. Ziel untergeordnet sind. Der Aufbau des Kunstwerkes ist jedoch nicht schlechthin die Summe aller Komponenten; das Ganze ist im Prinzip als bildhafte Idee des Künstlers vor den Teilen da und ihrer Summe überlegen.

Angew. wird der Begriff bes. in den Flächenkünsten, jedoch auch für Rundplastik und Architektur. Die architekton. K. erfaßt vorwiegend das einzelne Gebäude (Grundrissanordnung der Räume und Gebäudeteile, Gestaltung des Äußeren durch Bauglieder, Ornament usw.), aber auch Ensembles von Bauten, ihre städtebaul. Raumbeziehungen (analog in Gartenkunst und Landschaftsgestaltung).

Die K. stützt sich auf die der jeweiligen Kunstauffassung sowie den Intentionen der künstler. Subjektivität gemäßen und möglichen (hinsichtlich Inhalt wie Bildökonomie notwendigen) Gestaltungsmittel, Materialien, Techniken; auf geometr. Ordnungsprinzipien (z.B. Symmetrie) und Grundelemente, auf Rhythmus, Farbgebung (Farbiges Gestalten), Beleuchtung (Licht und Schatten), Verflechtung der Figuren im Unterschied z.B. zur Farbgestaltung (Kolorit) begriffen, doch ist dies zu eng. Wesentlich sind dabei in den Flächenkünsten die Figur-Grund-Beziehungen, das System von Gleichgewicht und Spannung, die Entwicklung einer visuellen Stabilität der K. insgesamt (Ausgleichen des Oben- Unten, Links-Rechts, der Gewichtung, der Richtungen und der Kontraste von den elementaren bis zu komplizierten Kontrastzusammenhängen, selbst in dynam. K.en).

Grundsätzlich lassen sich aber 3 Möglichkeiten der K. unterscheiden:
a) die Organisation in einem primär linearen Gefüge;
b) die Organisation um einen Akzent in einer dynam. Struktur und
c) die offene K. (beeinflusst durch die Übernahme neuartiger »natürl.« Sinneseindrücke, z.B. Impressionismus).

Auch in der Architektur (Offene Bauweise) und Gartengestaltung (Engl. Garten seit dem 18. Jh.) hat sich die offene K. als eine modernen Sehgewohnheiten, Haltungen usw. gemäße durchgesetzt. Darüber hinaus ist auch visuelle Stabilität der K. nur eine – wenngleich vorherrschende - Möglichkeit gegenüber (zufällig-)labilen Gefügen ( Kinetik, Werbung), bei denen die Veränderung der K. oberstes Prinzip der Gestaltung ist.

Bes. für die dekorative Kunst (baugebundene Kunst), für Brunnengestaltung (unter Einbeziehung von Wasser, Licht und selbst Musik), Leuchtreklame (einschließlich der Nachrichtenvermittlung über das laufende Leuchtschriftband) und Lichtgestaltung einer Stadt, Film- und Diapositivproduktion als vielleicht einer zukünftigen Möglichkeit bildhafter Stadtgestaltung haben sich neue weitreichende Entwicklungen labiler (temporärer). K.en ergeben.

Andererseits bedeutet die Hereinnahme der Veränderlichkeit in die Kunst nicht allein Labilität. Gegenüber den labilen Gefügen bedeutet K. auf der Grundlage visueller Stabilität, daß alle Faktoren der Bildgestalt gegenseitig festgelegt sind und den Charakter des Notwendigen tragen. Die Analyse der K. (isoliert durchgeführt erst in der neueren Kunstwissenschaft) kann wichtige Erkenntnisse bringen, etwa über die Aufmerksamkeit in einzelnen Epochen gegenüber der K. und über die tendenziell vorherrschenden allgemeinsten K.sprinzipien; z.B. sind Epochen, die die geometr.-architekton. K. bevorzugen, auf das zeichner. Element orientiert. K. muß daher als eine Seite des Stils in den Künsten aufgefasst werden.

Im allgemeinen herrschen in der K. eines Kunstwerkes bestimmte Bezugssysteme vor, können sogar das Primat erlangen (Körper gegenüber Raum usw.). Wesentlich für die K. in den bild. Künsten ist auch, dass in ihr (zumeist) eine Bewegung ohne Ortsveränderung, eine gerichtete und harmonisierte Spannung verwirklicht wird, die nur dynamisch wirkt, »wenn sich die Bewegung jedes Details in die Bewegung des Ganzen einfügt« (R. Arnheim). Plastik und Architektur legen das Schwergewicht bes. auf Körper-Raum- und Raum-Zeit-Relationen, auf Körpergliederung, auf die Spannungen zwischen konkav-konvex, vertikal- horizontal usw.

Bedeutung für die K. besitzen die geometr. Grundelemente in ihren Beziehungen, die der Künstler in seiner Grundausbildung und vorwiegend am Beispiel anderer Kunst studiert. Die Geometrie als Lehre von den Eigenschaften und gegenseitigen Beziehungen ebener oder räuml. Gebilde ist darüber hinaus auch für den Architekten unerlässlich. Zu unterscheiden sind planimetr. (z.B. Dreieck, Kreis, Quadrat), stereometr. (z.B. Raum, Kubus) und sphär. (z.B. Kugel) Grundformen und die verschiedenen Projektionsmethoden (Perspektive).

Für die K. bezeichnend sind Beziehungsverhältnisse (der Beziehung aufeinander, der Absonderung der der indifferenten Anordnung), wie etwa die Axialität, die Zueinanderordnung der Horizontalen, Vertikalen und Diagonalen im Sinn der inhaltl. Haupt- und Nebenakzente des Kunstwerkes, die Bezugnahme auf Mittelsenkrechte und -waagerechte oder die Gliederung entsprechend des Goldenen Schnitts.

Wird ein geometr. Gebilde (z.B. Dreieck) zum bestimmenden Faktor auf der Bildfläche, so wird auch die K. nach ihm benannt (Dreiecksk., vgl. die »Mona Lisa« von Leonardo da Vinci). Die Funktion dieser kompositor. Grundelemente besteht darin, die Aussage eines Bildes zu unterstreichen, wobei ein innerer Gefühlswert hervorgehoben werden kann (Anwendung stat. oder dynam. Prinzipien).

Die wichtigsten linearen Grundelemente der K., die durch ihre spezif. Beziehung zum Bildformat, als Richtungssymbol bzw. aufsteigende oder abfallende als Flächen- oder Körperbegrenzung charakterisiert werden, sind: die Vertikale, die den Eindruck des Statischen, Festen oder Aufstrebenden betont; die Mittelsenkrechte bewirkt evtl. Spannungslosigkeit zwischen den Bildhälften; oft gelagert ruhenden Charakter ruft die Horizontale hervor. Praktisch treten diese Linien selten allein auf. Das rechtwinklige Zusammentreffen beider Linien bildet die Orthogonale, wobei die gleichteilige rechtwinklige Kreuzung im Mittelpunkt des Kunstwerkes zum völligen Gleichgewicht der einzelnen Teile führen kann.

Ein Grundelement der K. ist auch die aufsteigende oder abfallende Bewegung schaffende Diagonale als Element einer dynam. Gestaltung (Barock). Sie hat in der europ. Kunst bes. große Bedeutung für die Raumdarstellung, da Diagonalen häufiger mit den Fluchtlinien (Perspektive) zusammenfallen und somit zur Schaffung eines einheitl. Bildraumes beitragen.

Der Ausdruckswert dieser Linien kann durch Parallelen gesteigert oder schematisch abgeschwächt werden. Die Linien treten auch geschwungen (z.B. Halbkreisspirale), kombiniert und in sich verflochten auf, was die formale Analyse erschweren kann.

Zu den wesentlichen flächigen Grundelementen gehören Quadrat bzw. Rechteck, gleichschenkliges Dreieck und Kreis, die bes. in klass. Epochen von Bedeutung sind.

In der Früh-Renaissance brachte der enge Zusammenhang von Kunst und sich erstmalig entschieden durchsetzender Wissenschaft eine akzentuierte Anwendung von flächigen Grundelementen der K. hervor (vgl. Vasari, Vite I, über Giotto). Sie bewirken durch ihre Beschaffenheit oft einen Richtungsausgleich und somit den Ausdruck der Ruhe und Geschlossenheit. Als dynam. flächige Grundelemente kommen hinzu Ellipse, ungleichseitiges Dreieck u.a.

Die Gestaltung mittels stereometr. Grundelemente kann die Wirkungen der flächigen in sich vereinen. Sie werden erst voll wirksam in der Dreidimensionalität von Architektur oder Plastik, wogegen bei der Projektion in die Fläche wieder die flächigen bzw. linearen Grundelemente eher selbständig wirksam sind.

Bestimmte elementare Grundbezüge hängen zusammen mit historisch gewordenen Sehgewohnheiten (z.B. Wertigkeit der steigenden bzw. fallenden Diagonale, des Links und Rechts im Bild). Anfangsperioden der Kunst aufstrebender Kulturen haben vielfach einfache Grundelemente bevorzugt; gleiches gilt generell für die Volkskunst. Die zeichenhafte »Reduktion« der Naturformen auf geometr. Elemente spielt in einzelnen Richtungen der modernen Kunst eine Rolle ( Kubismus, Konstruktivismus, Minimal Art). Eine andere Form der Abstraktion von Naturformen ist kennzeichnend für das Ornament, das in nahezu jedem Fall auf ein elementares Grundmuster reduzierbar ist, das wiederum unbegrenzt multipliziert und mit anderen kombiniert werden kann (Reihung).

Die Aufstellung von angeblich objektiven K.sregeln spielte v.a. in der akademisch-klassizist. Kunsttradition seit der Renaissance eine große Rolle. Abweichungen von dieser Norm, Neuerungen, sah man zunächst irrigerweise als ein Fehlen von K.en an; z.B. erkannte man erst nach gewisser Zeit, daß auch die Impressionisten in ihrer Weise systematisch komponierten. Die moderne Kunst einschließlich der komplexen Umweltgestaltung im Städtebau kennt keine starren K.sregeln. In dem flexiblen inhaltsbetonten Umgang mit ihnen gehen K.serfahrungen zurückliegender Kunstepochen mit ein.

nach: [Lexikon der Kunst: Komposition. Lexikon der Kunst, S. 16297
(vgl. LdK Bd. 3, S. 831 ff.) (c) E. A. Seemann]

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