Bildelemente

Die Bildelemente

Unabhängig von ihren intentionalen Funktionen sind Bilder auch mit formalen Elementen gestaltete ebene Malflächen. Punkte, Linien, Flächen, Formen und Farben haben ihre eigenen Qualitäten und wirken im Bildgefüge zusammen, werden kombiniert, beeinflussen sich wechselseitig.


Der Punkt

"Der Punkt ist die knappste Form. Er ist in sich gekehrt. Diese Eigenschaft verliert er nie in vollem Maße - auch in Fällen seiner eckigen Form. Seine Spannung ist zuletzt doch immer konzentrisch." (W. Kandinsky) Darin offenbart der Punkt seine Verwandtschaft mit dem Kreis. "Abstrakt gedacht oder in der Vorstellung ist der Punkt ideellklein, ideellrund. Er ist eigentlich ein ideellkleiner Kreis. Aber ebenso wie seine Größe, so sind auch seine Grenzen relativ. In realer Form kann der Punkt unendlich viele Gestalten annehmen: seine Kreisform kann ganz kleine Zacken bekommen, er kann eine Neigung zu anderen geometrischen und schließlich zu freien Formen entwickeln. Er kann spitz sein und zum Dreieck neigen. Und durch ein Verlangen nach relativer Unbeweglichkeit geht er zum Quadrat über. Bei abgezupft-zackigem Rand knnen die Zacken kleinlich oder aber großzügig sein und sich in verschiedenen Verhältnissen zueinander stellen. Hier sind keine Grenzen festzustellen, und das Reich der Punkte ist unbegrenzt." (W. Kandinsky)

Abb.: Punkte in unterschiedlichen Varianten aus: W. Kandinsky - Punkt und Linie zu Fläche


Die Linie

Bewegt sich ein Punkt über die Bildfläche, so hinterlässt er eine Spur, die Linie. Sie krümmt sich, spannt sich, verbreitert oder verjüngt sich, splittert auf, schwillt an und ab, hat eine Richtung, ändert diese auf vielfältige und ungeahnte Weise, wirkt locker, verkrampft, langweilig, interessant, ruhig, nervös, fahrig, konzentriert, kraftvoll, hart, weich, zart, zögernd, spontan, gewollt, schneidend, brutal, dynamisch, schwungvoll, lyrisch, unsicher, tastend, heiter. Ist dabei ausgefranst oder präzise, klar oder angedeutet, durchgezogen, unterbrechen, wird wieder aufgenommen, vielleicht leicht versetzt, wird von einem Linienbündel gebildet, ist langsam gezogen oder schnell hingefetzt...
Larissa Winter: Linear_Das Phänomen Linie

Die Flächenform

So wie die Linie aus dem Punkt entsteht, so lässt sich die Fläche aus der seitlich über den Grund streichende Linie bilden. Die Flächenform ist klar definiert, ausgeprägt, mathematisch-geometrisch oder amorph, figurativ oder zufällig, schwer bestimmbar, kompliziert, einfach, weich oder hart, kurvig oder geradlinig begrenzt, eckig, splittrig, ausladend, konzentriert, richtungslos oder ausgerichtet, zielstrebig, scharf begrenzt oder zerfließend, verschwommen, fleckhaft, geschlossen oder offen...

Die Farbe

Sie wird als Lichterscheinung um so strahlender wahrgenommen, je reiner sie ist. Die prismatischen Farben des Regenbogens zeigen vor allem den Farbton, der meist den Namen gibt. In Ausmischungen wird sie gebrochen, bildet Valeurs, spielt in andere Töne hinüber. Sie wirkt aus sich heruas oder erst durch Mischung heller oder dunkler. In Verdünnung wird die einst gesättigte Farbe immer blasser, bis sie nur noch als Hauch wahgenommen werden kann. Manche Farben erzeugen emotionale oder psychologische Wirkungen, so zum Beispiel die Empfindung von Wärme oder Kälte. Sie ist leuchtend, glänzend, strahlend oder trüb, matt, schmutzig oder stumpf, tritt aus der Bildfläche scheinbar heraus oder hinter sie zurück, schwillt in einem Verlauf an oder ab, wirkt schreiend, hart, brutal, aggressiv, oder aber zart, sanft, beruhigend, lyrisch, mild, bescdheiden, vermittelnd...

Das Zusammenwirken der Bildelemente

Im bildnerischen Zusammenhang kommen die vorgestellten Bildelemente nur selten isoliert vor. Sie wirken vereint, benachbart oder im Ganzen zusammen, werden kombiniert und beeinflussen sich nach bestimmten Regeln und Gesetzen. Dabei wird in gelungenen Bildern das Geflecht der Elemente auch immer in einem überzeugendem Bezug zur Gegenständlichkeit, zur Aussage- und Wirkungsabsicht stehen.


Linien

wirken zusammen, begleiten sich, laufen parallel, unterstützen sich, umspielen einander, ergänzen sich, steigern sich, harmonieren, wirken gegeneinander, stoßen sich, bilden Richtungsdifferenzen, erzeugen Spannungen, durchdringen sich, überschneiden sich, dominieren, unterliegen, rhythmisieren, formieren Liniengefüge, Knäuele, Liniengerüste, Raster, Strukturen, Geflechte, Schraffuren, Muster, Ornamente etc.

Flächenformen

treten zueinander, ergänzen sich, fügen sich nebeneinander, übereinander, ineinander, bauen aufeinander auf, lagern sich, türmen sich, drehen sich, überschneiden sich, umfassen sich, stellen sich gegeneinader, runde gegen geradlinige, weiche gegen spitzige, geometrische gegen vegetative, flache gegen gekrümmte, gerichtete gegen ausfahrende, sie bilden Reihungen, Abstufungen, Ratster, Schichtungen, komplizierte oder einfache Ordnungen, reiche oder karge, strenge oder spielerische, gewichtige, aufdringliche, harte oder zarte, unauffällige, untergeordnete etc

Farben

bilden Reihen, Ketten, Stufen, Serien, Modulationsfolgen. Sie gehen ineinander über, zerfließen, bilden Intervalle, stehen zu- oder gegeneinader in den verschiedensten Kontrasten: Qualitätskontrast, Komplementärkontrast, Temperamentskontrast, Helligkeitskontrast, Reinheitskontrast, Simultankontrast etc. Ihr Zusammentreffen zeitigt verblüffende Phänomene der gegenseitigen Beeinflussung, Steigerung, Veränderung ihrer individuellen Qualitäten, bis hin zu ihrer gegenseitigen Aufhebung, entsprechend den Gesetzen der Farb- und Sinnesphysiologie und Psychologie.

Kombinationen der Elemente miteinander

Linien definieren die Flächenformen, umrahmen sie, strukturieren sie, kreuzen sie, begleiten sie, heben sie hervor, drängen sie zurück, überspielen sie. Flächen fließen in Linien aus, lösen sich in Linien auf, stemmen sich gegen Liniengebilde, müssen sich gegen sie behaupten, saugen sie auf, überdecken sie etc.
Linien und Farben sind identisch, sind Farblinien, Linien sind Farbspuren, Linien begrenzen Farbflächen, akzentuieren die Farbe, stauen sie, unterteilen sie, geben ihr Halt, zerfurchen sie, zerhacken Farbflächen, strukturieren sie etc.
Formen entstehen durch Farbe, Farben formieren sich zu Formgebilden, zu farbigen Strukturen und Ordnungen, Farben und Formen decken sich, überspielen sich, überlappen sich, überlagern sich, ufern aus, konzentrieren sich, Farben werden durch Formen zusammengeschlossen, Farben domoinieren über die Formen und umgekehrt.

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